Evangelium nach Lukas (11,1-13)
Zur Zeit Jesu wurde morgens, mittags und abends gebetet. Das tägliche Gebet war für jeden jüdischen Mann vom 13. Lebensjahr an unumstößliche Pflicht. Die Apostel waren Juden. Sie haben bestimmt täglich gebetet. Warum fragen sie Jesus dann: „Lehre uns beten“? Merkten sie, dass Jesus anders, mit einer anderen inneren Einstellung betete?
Jesus gibt ihnen die Worte des Vater Unsers. Er gibt ihnen nicht einfach einen neuen Gebetstext, den sie wiederholen sollen. In diesen Worten steckt eine richtige innere Einstellung: Gott ist wie ein liebender Vater, zu dem wir Vertrauen haben können. Er will für uns nur das Gute, unser Wohl. Deswegen können wir ohne weiteres sagen: „Dein Wille geschehe“. Deswegen sagt Jesus am Abend vor seinem Leiden: „Wenn es möglich ist, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen. Aber nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Damit meint Jesus nicht, dass es Gottes Wille sei, dass er jetzt furchtbar leiden muss, sondern dass er glaubt, dass Gottes guter Wille sich trotzdem durchsetzen wird, wenn auch nicht jetzt. Trotz allem wird Gottes guter Wille das letzte Wort haben, sich durchsetzen in der oft hoffnungslos aussehenden Geschichte der Menschen. Das ist das Grundvertrauen, das wir im Vater Unser Gott gegenüber aussprechen.
Wenn wir Gott bitten, vertrauen wir ihm unsere inneren Anliegen, unsere Sorgen, Probleme und Bedürfnisse an, legen unsere ganze Existenz in seine Hände. Aber dabei sollen wir unterscheiden zwischen „Erfüllung“ und „Erhörung“. Gott hört uns. Ja mehr noch, sagt Jesus: „Euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet“ (Mt 6,8). Aber daraus folgt nicht, dass er all unsere Wünsche und Bitten erfüllt, und dass geschieht, was wir uns wünschen.
Gott greift nicht direkt ein in die Geschehnisse dieser Welt. Gott hat z.B. mit Erdbeben, Überschwemmungen, Krankheiten, Unfällen und dem Wettergeschehen nichts zu tun. Hier herrschen Naturgesetze. Und er hebt diese Naturgesetze der Welt nicht auf. Er setzt sie nicht außer Kraft, denn dann würde das ganze Weltsystem zusammenstürzen.
Gott greift auch nicht direkt ein in die Kriege der Menschen. Er kann und will nicht mit Gewalt den Frieden bewirken. Es ist daher nicht richtig zu beten: „Gib, dass in der Welt Frieden ist.“ Frieden sollen wir schon selbst stiften. Gott respektiert die Freiheit der Menschen, auch wenn diese ihre Freiheit missbrauchen.
Die Hilfe um die Gott betende Menschen bitten, geschieht nicht dadurch, dass er ihr Probleme löst, sondern - wie Jesus sagt - “...viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“. Gott gibt uns von seiner Geisteskraft, damit wir unsere Probleme bewältigen. Ich glaube nicht an einen Gott, der mich vor der Gefahr von Leiden und Tod rettet, sondern dass er dann bei mir ist, so dass ich die Kraft habe es durchzustehen. So können wir in diesem Leben bestehen, was auch geschehen mag. Wichtig ist, dass unsere Beziehung zu Gott nicht abreißt und dass wir sie pflegen.
Beten gibt deswegen Geborgenheit, Halt und Kraft. Ein großer Theologe, Karl Rahner, hat gesagt: „Handle, als hänge alles von dir ab, und bete, als hänge alles von Gott ab. Nur Beide zusammen: die gläubige Tat und das bittende Herz“ sind richtig. Ein anderer sagte:„Wer betet, wird anders. Das Gebet ändert nicht die Welt, sondern den Menschen. Und dieser Mensch ändert die Welt.“
Und Jesus beschließt: „Wende dich mit dieser Einstellung an Gott, klopfe immer wieder bei ihm an. Er wird dir seinen Geist, seine Lebenskraft schenken. Sprich mit Gott von deinem Leben, von deinen Plänen, von deinen Sorgen, von deinen Freuden, von deinen Befürchtungen, von allem, was dich bewegt. Vertraue dich ihm an. Er wird bei dir sein“.